Buchstaben AI und Richterhammer

Künstliche Intelligenz & Urheberrecht: Bedroht KI die Arbeit von Fotografen?

Alle reden über Künstliche Intelligenz (KI, auch Artifizielle Intelligenz AI), aber um was genau geht es dabei eigentlich? Welche Ängste werden geschürt, welche Erwartungen geweckt – und wie ist das Verhältnis von künstlicher und menschlicher Intelligenz? Wie kreativ ist KI?

Kann KI ein Künstler sein und die Arbeit von Fotografen bedrohen – oder stellt sie eine Bereicherung dar?

Durch künstliche Intelligenz sollen Computer in einer Art und Weise programmiert werden, die es ihnen erlaubt, Probleme eigenständig zu bearbeiten und selbstständig zu lernen. Es gibt schon heute zahlreiche Anwendungsgebiete von künstlicher Intelligenz – auch in der Kunst ist sie längst angekommen. So hat KI bisher zum Beispiel schon einen Song komponiert, der von den Beatles stammen könnte, eine Fortführung der Game of Thrones-Romane und der Harry Potter-Reihe geschrieben und ein Gemälde geschaffen, das wie ein Rembrandt wirkt.

Um dieses Machine Learning zu ermöglichen, wird die KI mit „Trainingsdaten“ versorgt. Je nach gewünschtem Ergebnis „füttert“ man die KI u.a. mit Bildern, Songs, Literatur, die dem KI-Algorithmus als Beispiel dienen und anhand derer die KI selbstständig lernen kann.

Roboter zeichnet Portrait von Person

Das „Edmond de Belamy“-Porträt

Im vergangenen Jahr erregte ein durch KI erschaffenes Porträt besonderes Aufsehen: Es wurde nämlich für sagenhafte 432.500 US-Dollar versteigert. Der 19-jährige Robbie Barrat hatte einen Algorithmus programmiert, der Gemälde erschaffen kann. Diesen Algorithmus stellte er zur Schaffung von solchen Kunstwerken als Open-Source-Lizenz zur Verfügung.

Die Pariser Künstlergruppe „Obvious“ benutzte diesen Algorithmus und erschuf auf diese Weise ein Porträt mit dem Namen „Edmond de Belamy“. Zuvor hatte sie den Algorithmus mit etwa 15.000 historischen Gemälden gefüttert. Am 25. Oktober 2018 wurde das Porträt dann durch das New Yorker Auktionshaus Christies zum sagenhaften Preis von 432.500 US-Dollar versteigert. Es wurde als erstes größeres Werk künstlicher Intelligenz beworben, das durch ein Auktionshaus versteigert wird.

Robbie Barrat empörte sich daraufhin auf Twitter:

Robbie Barrat
Robbie Barrat@DrBeef_
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left: the "AI generated" portrait Christie's is auctioning off right now

right: outputs from a neural network I trained and put online *over a year ago*.

Does anyone else care about this? Am I crazy for thinking that they really just used my network and are selling the results?

Zur Erklärung seines Ärgers verglich Robbie Barrat das versteigerte Porträt mit anderen Porträts, die Ergebnisse seines Algorithmus sind und die er bereits über ein Jahr zuvor online gestellt hatte. Der Stil der verglichenen Porträts stimmt unzweifelhaft überein.

Kann Künstliche Intelligenz Urheber sein?

Wer ist jetzt also Urheber des Gemäldes? Ist es Robbie Barrat als Programmierer der Software oder ist es das Künstler-Kollektiv „Obvious“, das den Algorithmus mit 15.000 Porträts gefüttert hat? Könnte sogar die KI selbst Urheber sein? Oder ist niemand Urheber des Gemäldes „Edmond de Belamy“?

Dafür muss zunächst geklärt werden, ob überhaupt ein Urheberrechtsschutz an den durch KI geschaffenen Werken der Kunst, Literatur oder Musik bestehen kann. Die Antwort fällt nicht leicht. Helfen kann ein Blick in das Urhebergesetz. In § 2 Abs. 2 UrhG heißt es: 

Für Schöpfungen ist ein gewisses Maß an Individualität erforderlich, die sogenannte Gestaltungshöhe: Das Erschaffene darf nicht beliebig oder alltäglich wirken. Zwar gibt es zahlreiche Kritiker, denen die durch KI geschaffenen Werke nicht gefallen. Fakt ist allerdings auch: Den meisten KI-Werken wird man die erforderliche Gestaltungshöhe nicht absprechen können.

Lässt sich KI-Kunst Menschen zuschreiben?

Die KI selbst kann – zumindest nach bisherigem Recht – nicht Urheber eines Werkes sein. Aber wie sieht das bei den Menschen aus, die hinter dem KI-Ergebnis stecken? Können diese Urheber des entstandenen Werkes sein?

Grundsätzlich gilt: Auch derjenige, der sich bei der Schaffung eines Werkes technischer Hilfsmittel bedient, kann durch das Urheberrecht geschützt werden. Wer künstlerisch tätig wird und dabei beispielsweise Kameras, Computer, Software oder Maschinen benutzt, kann selbstverständlich Urheber sein.

Entscheidend ist aber, dass der Mensch steuernd eingreift. Das Geschaffene darf nicht lediglich ein reines Computer- oder Maschinenerzeugnis sein, das ohne Einwirkung eines Menschen entstanden ist. Sofern der Mensch also nur einen Knopf oder eine Taste drückt (etwa bei einem Computerprogramm), dann aber nicht weiter steuernd eingreift und somit keinen weiteren Einfluss auf das Ergebnis hat, scheidet urheberrechtlicher Schutz aus. Der persönliche Beitrag des Menschen muss deutlich erkennbar sein.

Damit gilt für die durch KI geschaffene Kunst: 

Im Fall des „Belamy“-Gemäldes war das Programm in der Lage, selbstständig zu lernen und das Gemälde zu erschaffen. Bisher gehen aufgrund dieser fehlenden menschlichen Komponente wohl die meisten davon aus, dass das Gemälde urheberrechtlich nicht geschützt ist.

Allerdings wurde der Algorithmus immerhin mit einer Auswahl von 15.000 Gemälden gefüttert und hat die Aufgabe bekommen, daraus ein Porträt zu schaffen. Zudem wurde das Gemälde mit einer Zeile des Codes signiert und ein passender goldener Rahmen ausgewählt. Ganz so zufällig ist das Werk also auch nicht entstanden. Und all das wurde wiederum erst durch den von Robbie Barrat programmierten Algorithmus ermöglicht.

Es wäre daher auch nicht abwegig, die Künstlergruppe „Obvious“ oder den Programmierer Robbie Barrat als Urheber anzusehen. Immerhin haben beide einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Entstehung des Gemäldes geleistet.

Vorsicht: Auch KI-Werke können Urheberrechte verletzen!

Unabhängig von der Frage, ob es bei KI-Werken überhaupt einen Urheber gibt, sollte man bei der Verwendung von KI-Werken sehr sorgfältig vorgehen. Denn auch sie können unter Umständen bestehende Urheberrechte verletzen. Möglich ist das, wenn sich der Betrachter sofort an das Original-Werk erinnert fühlt und es nicht hinter dem neu Erschaffenem „verblasst“. Wer also beispielsweise die durch KI geschaffene Harry-Potter-Fortsetzung zugänglich macht, könnte damit die Urheberrechte am Original verletzen.

Portrait durch KI-Pixel erschaffen lassen

Was bedeutet KI für Fotografen?

KI wird auf jeden Fall auch in der Fotografie vieles verändern, soviel steht fest. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz ist es zum Beispiel möglich, die Nachbearbeitung von Fotos komplett durch Computerprogramme erledigen zu lassen. Ziemlich praktisch und zeitsparend: technische Neuerungen könnten Fotografen helfen, weniger Zeit mit der Bildbearbeitung zu verbringen oder diesen Schritt sogar komplett automatisieren.

Aber führt das nicht zu einem Bildstil, der die Individualität der Fotokünstler verwischt? Tatsächlich wirken die beworbenen Resultate KI-unterstützer Programme ziemlich einheitlich: stark nachgeschärft und sehr kontrastreich. Andererseits arbeiten aktuell viele Fotografen mit genau diesem Look.

KI ist aber auch in der Lage, den eigenen Stil eines Fotokünstlers zu „lernen“ und dessen Vorlieben zu reproduzieren. Große Firmen arbeiten jedenfalls an einem Ansatz, der individuellere Looks ermöglicht. Außerdem kann man KI auch nur für einzelne Bereiche nutzen und muss seine Fotos nicht komplett von Künstlicher Intelligenz glatt schleifen lassen. So bliebe die menschliche Kreativität auf jeden Fall erhalten. Aber was heißt das für den Fotografen der Zukunft? Wird Künstliche Intelligenz den Beruf des Fotografen überflüssig machen oder unterstützt sie dessen Arbeit? Diese Frage treibt viele Berufsfotografen um. Mit einem Tool der Süddeutschen Zeitung, das auf einer Oxford-Studie basiert, kann man herausfinden, wie stark Computer einzelne Berufsgruppen bedrohen.

Wie smart sind KI-Funktionen in der Fotografie?

Canon Deutschland hat auf der Photokina 2018 in Köln zusammen mit der Gesellschaft für Konsumforschung e. V. (GfK) eine repräsentative Studie zum Thema „Künstliche Intelligenz in der Fotografie“ vorgestellt. Daraus geht hervor, dass es im Bereich Foto und Video bereits eine große Akzeptanz gibt, denn Künstliche Intelligenz kann die gesamte Produktion deutlich vereinfachen.

86 Prozent der Befragten befürworten Künstliche Intelligenz, die das Fotografieren erleichtert. Besonders die 30- bis 39-Jährigen würden zu 92 Prozent smarte Funktionen nutzen, während nur 14 Prozent darauf verzichten möchten. Zu den beliebtesten KI-unterstützten Fotofunktionen gehört ein Feature, das geschlossene Augen erkennt und erst auslöst, wenn alle Personen ihre Augen geöffnet haben. Auch eine verbesserte automatische Gesichtserkennung, wünschen sich viele, nämlich 86 Prozent. Automatische Retusche von störenden Bildelementen ist von 45 Prozent situationsabhängig gewünscht und nur 20 Prozent befürworten eine generelle Automatikretusche.

Fazit: KI ermöglicht Gestaltungsfreiräume

Das Thema KI sorgt für Verunsicherung und ist stark emotional aufgeladen. Die einen haben Angst vor Künstlicher Intelligenz, andere begrüßen sie euphorisch. Die Wahrheit liegt vermutlich – wie so oft – in der Mitte: Wer von der Digitalisierung profitieren will, sollte menschliche und maschinelle Intelligenz konstruktiv miteinander verknüpfen.

Die Kontroverse rund um das „Edmond de Belamy“-Porträt macht deutlich: Der Bereich KI und Urheberrecht wirft zahlreiche noch ungeklärte urheberrechtliche Fragen auf. Das Thema wird uns noch lange beschäftigen. Aber was die Zukunft der Fotografie betrifft, so müssen sich kreative Fotografen wohl keine allzu großen Sorgen machen.

Die Trendforscher des Zukunftsinstituts weisen in ihren „6 Thesen zur künstlichen Intelligenz“ zu Recht darauf hin, dass im Begriff der „Künstlichen Intelligenz“ zwei verschiedene Kategorien verwechselt werden: das Lösen strategischer Probleme, das man als Intelligenz interpretieren kann, und das Bewusstsein, das uns ermöglicht, auf die Komplexität der Welt mit Kreativität zu antworten: „Gefühle, Instinkte, Stimmungen, Wahrnehmungen, Berührungen sind Teil des Bewusstseins. Sie setzen uns in Beziehung zur Welt und zu uns selbst. Computer können Go spielen, Autos steuern und einen Platz im Restaurant reservieren. Aber sie werden nie fühlen können, wie das ist“, heißt es dort.

Deshalb kann Künstliche Intelligenz nur „intelligent“ sein, wenn sie durch menschliche Ziele und Bedeutungen gestaltet wird. Nutzen wir die neuen Technologien also in unserem Sinne: Mit KI können wir monotone Tätigkeiten überflüssig machen und uns auf das konzentrieren, was uns ausmacht: Kreativität, Kommunikation, Empathie – und Freiheit. Ein großes Wort, aber wenn KI uns Arbeit abnimmt, dürfen (und müssen) wir uns auch fragen, was wir mit der gewonnenen Freizeit anfangen wollen.

Ein Artikel von Florian Moritz & Dr. Daniela Mohr

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